„Was die Bürgerliste gemacht hat, ist für mich Wahlbetrug“
Für ein Kuriosum und heftige Anschuldigungen gegen die Bürgerliste sorgte die letzte Sitzung des alten und die erste des neuen Remchinger Gemeinderats: Nachdem Bürgermeisterin Julia Wieland (parteilos) acht Räte aus dem Gremium verabschiedet hatte, konnte sie nur sieben neue verpflichten. Wie berichtet hatte der 85-Jährige Bürgerliste-Kandidat Lorenz Praefcke kürzlich bekannt gegeben, sein Amt nicht anzutreten.
Anders als am Abend der Ergebnisverkündung: Dort hatte Praefcke, der bereits 2011 und 2021 zurückgetreten war, auf Nachfrage erklärt, erneut anzutreten. Mit 18 Gegenstimmen erteilten alle anderen Fraktionen Praefckes jetzigem Antrag auf Nicht-Antritt eine Absage. Gleichzeitig rechneten sie scharf mit der Bürgerliste und deren Fraktionsvorsitzendem, Altbürgermeister Wolfgang Oechsle, ab und verhinderten ein rasches Nachrücken von Thomas Merz.
Und das, obwohl sie der Bürgermeisterin zufolge eigentlich hätten zustimmen müssen: Abseits ihrer persönlichen Meinung zitierte Wieland, die sich dazu ausführlich mit der Kommunalaufsicht besprochen habe, aus der Gemeindeordnung. Praefcke hatte zunächst eine Krankheit, dann sein Alter als Hinderungsgrund angegeben. Die Vollendung des 67. Lebensjahres ist einer der „wichtigen Gründe“, unter denen ein Bürger ein Ehrenamt ablehnen kann. Zwar müsse der (bisherige) Gemeinderat entscheiden, ob der Grund wirklich gegeben sei, das Alter sei jedoch belegt, verdeutlichte Wieland: „Da gibt es keinen Ermessungsspielraum, sonst wäre es ein rechtswidriger Beschluss, dem die Bürgermeisterin widersprechen und eine neue Sitzung einberufen muss.“ Auch eine Vertagung sei nicht möglich: „Ich bin der Überzeugung, dass wir uns nicht mit Spitzfindigkeiten aufhalten oder uns Steine in den Weg legen sollten, wenn wir in der Zeit die Zukunft unserer Gemeinde voranbringen könnten. Wir sind besser als das.“
Er hätte sich seine Schlussrede gerne anders vorgestellt, erklärte daraufhin der scheidende CDU-Fraktionssprecher Thomas Walch: „Was die Bürgerliste gemacht hat, ist für mich Wahlbetrug und die Leute verarscht. Dann hätten Antje Hill, Markus Gartner oder ich unseren Fraktionen auch nochmal dienlich sein können.“ Dabei zog er insbesondere Oechsle in die Verantwortung – samt „Schlussappell“: „Folge deinem Kollegen und stell´ so schnell wie möglich auch einen solchen Antrag – ich versichere dir, dem wird schneller stattgegeben.“ Anhaltenden Applaus bekam Walch aus dem Publikum und am Ratstisch, als er erklärte, die CDU stimme Praefckes Antrag nicht zu.
Ebenso wie die anderen Fraktionen: „Nach dem Verteilen von Flyern mit Anschuldigungen kurz vor der Wahl überrascht uns sowas eigentlich nicht“, verdeutlichte Volker Bräuninger (SPD), „Das Vorgehen der Bürgerliste ist für uns vorsätzliche Wählertäuschung und wir lehnen solche Tricksereien ab.“ Die BL habe ihre eigenen Wähler betrogen, kritisierte Sascha Rebmann (Freie Wählervereinigung): „Das hat für uns mit Transparenz und Fortschritt überhaupt nichts zu tun, sondern klingt wie blanker Hohn.“ Unter einem „ganzen Strauß von Argumenten“ gegen eine Zustimmung hob Klaus Fingerhut (Grüne) hervor, dass das Gemeinderats-Ehrenamt ein Pflichtamt sei: „Da kann man sich nicht zum wiederholten Mal auf sein Alter berufen.“
Der mehrheitlichen Ablehnung bei Zustimmung der BL, Enthaltung von Dieter Braun (Grüne) und Wegsetzen (wegen Befangenheit) von Ute Praefcke (BL) widersprach Wieland wie angekündigt. Am 1. August dürfe sich der Rat daher noch einmal damit befassen – dann aber der neue.
Für die Hingabe, das Engagement und den unermüdlichen Einsatz dankte Wieland dem bisherigen Ratsgremium, mit dem sie eine kurze, aber intensive gemeinsame Zeit verbracht habe – unter anderem mit dem Beschluss der Turn- und Schwimmhallensanierung sowie dem Neubau für die Feuerwehr Süd. Sie verabschiedete Dieter Braun (Grüne, sechs Monate im Gremium), Christian Wallisch (CDU, zwei Jahre), Lothar Scheurer (BL, drei Jahre), Markus Gartner (FWV, fünf Jahre), Till Siegenthaler (Grüne, zehn Jahre), Thomas Walch (CDU, zehn Jahre), Margot Bercher (CDU, 25 Jahre) und Antje Hill (SPD, 35 Jahre).
Daraufhin verpflichtete sie die neuen Gemeinderäte Birgit Gay, Maria Scrofan und Raphael Blattner (CDU), Timo Grund, Justine Leonhardt und Alexander Schwenk (FWV), sowie Tomislav Glavaš (SPD), während ein Platz der Bürgerliste zunächst leer bleibt. Damit behält die CDU acht Sitze, die Freie Wählervereinigung wächst auf sechs, SPD und Bürgerliste behalten jeweils drei und die Grünen haben nur noch zwei.
jza
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