Nöttinger kämpfen weiter für Entlastung von Schwerlastverkehr
Um endlich mehr Ruhe in ihren Ort zu bekommen, gehen einige Nöttinger aufs Ganze: In der Rushhour stellten sich am Samstagmorgen drei Dutzend Anwohner der Karlsbader Straße mit Gemeinderatsvertretern mitten auf die Ortsdurchfahrt, um kurzzeitig den Verkehr zu stoppen und ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für Nachtruhe, Aufenthaltsqualität und einen sicheren Fußverkehr, wie sie erklären. Dies wollen sie insbesondere mit einem Durchfahrtsverbot für Schwerverkehr, der den Teilort ohnehin nur passieren wolle, erreichen. Die Lösung, an beiden Ortseinfahrten ein Schild aufzustellen, scheint denkbar einfach – ist sie aber nicht.
Vor über zwei Jahren eröffnete die Gemeinde die von ihr errichtete Ortsteilverbindungsstraße westlich um Nöttingen herum. Schon in den 1990er-Jahren forderten Anwohner eine Umgehung. Der Weg zur Gemeindestraße war ein langer, nicht zuletzt aufgrund einer Petition von Projektgegnern. Doch auch nach Eröffnung der Straße rollte der Hauptverkehr durch den Ort über die Landesstraße, die etwas kürzer ist und auch von vielen Navis vorgeschlagen wird. Selbst in Kombination mit einem schon zuvor eingerichteten Tempo 30 durch den Ort, von Anwohnern kräftig unterstützt mit Gartenzwergen oder selbstgeschnitzten 30er-Kürbissen und vom Kreis regelmäßig kontrolliert mit Blitzern, änderte sich den Anwohnern zufolge kaum etwas.
Schon kurz nach Eröffnung der neuen Trasse hatte die Gemeinde ein Schwerlast-Durchfahrtsverbot beim Kreis beantragt, wie Bauamtsleiter Markus Becker bestätigt. Doch dieses ist bis heute nicht umgesetzt. Ende Januar beantragte Gemeinderat Andreas Beier (SPD) daher im Namen aller fünf Remchinger Gemeinderatsfraktionen einen erneuten Anlauf, der Bürgermeisterin Julia Wieland (parteilos) zufolge am Donnerstag dieser Woche bei der Verkehrsschau mit dem Landratsamt zur Sprache kommen soll.
Doch schon im Vorfeld macht Oliver Müller, Leiter des Straßenverkehrs- und Ordnungsamtes im Enzkreis, wenig Hoffnung auf eine ganz schnelle Lösung. Knackpunkt: „Bei der Karlsbader Straße handelt es sich um eine Landesstraße, die dem Gemeingebrach gewidmet ist und damit von allen zulässigen Verkehrsarten – also auch Schwerlastverkehr – befahren werden darf“, antwortete das Amt auf Nachfrage dieser Redaktion. Sogenannte klassifizierte Straßen, also Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, hätten darüber hinaus eine Erschließungs- und Verbindungsfunktion, weshalb Durchfahrtsverbote nicht ohne weiteres angeordnet werden dürften: „Wäre dies so, gäbe es sicherlich zahlreiche LKW-Durchfahrtsverbote, denn Schwerverkehr wird in vielen Orten als belastend empfunden.“
Allerdings könne sich im speziellen Nöttinger Fall möglicherweise doch eine Chance ergeben: Im Rahmen eines städtebaulichen Konzepts und unter Betrachtung der neuen Ortsteilverbindungsstraße könne die verkehrliche Situation neu geprüft werden, so das Amt: „Nach unseren Informationen arbeitet die Gemeinde Remchingen bereits an der Zusammenstellung eines Gesamtkonzeptes.“ Nach Ablauf einer Zehnjahresfrist ab Freigabe der Straße, also Ende 2032, strebe die Gemeinde eine Umwidmung an, sodass die Ortsteilverbindungsstraße zur Landstraße wird und die Ortsdurchfahrt zur Gemeindestraße mit entsprechendem Gestaltungsspielraum, erklärt der Remchinger Bauamtsleiter Becker, „Momentan sind uns die Hände gebunden. Trotzdem sind wir an einer Lösung für verkehrsberuhigende Maßnahmen im Rahmen eines Landesprojekts dran, um schon vorher eine Entlastung zu versuchen.“
Pläne für eine barrierefreie Ortsmitte mit beruhigten Geschäftsbereichen, Treffpunkten, Bäumen und Beeten schmiedeten die Anwohner schon bei einer Bürgerbeteiligung vor drei Jahren. Eine Umsetzung hängt insbesondere am Fortschritt der Umwidmung. Dabei wünschen sich die Bürger vor allem weniger Schwerverkehr: „Lastwagen von überall her verirren sich hier rein, obwohl sie bestimmt lieber bequem außen rumfahren würden“, stellt Klaus Fuchs fest, „Die Verkehrsbelastung führt soweit, dass die Lebensqualität nachgelassen hat und immer mehr Häuser leer stehen.“
„Hinzu kommt, dass sie rasen und sich die Kleinen auf dem Weg zu Kindergarten und Schule nicht sicher fühlen“, erklärt Anwohnerin Mateja Bilic, selbst Mutter von drei Kindern. „Schon vor 20 Jahren hieß es: Mit der neuen Straße wird es besser. Doch nichts hat sich verändert“, zeigt sich Klaus Melcher ernüchtert, „Dabei könnte man doch einfach zwei Schilder und ein paar Blitzer aufstellen oder ein paar weiße Linien für eine Vorfahrt der Ortsteilverbindung ziehen.“ Doch so einfach ist es eben nicht: „Das ist ein typisches Beispiel von deutscher Bürokratie“, resümiert Gemeinderat Martin Gegenheimer (CDU).
jza
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