„Jetzt geht es darum, die Gemeinde schnellstmöglich wieder auf Kurs zu bringen“
Der Eklat im Remchinger Ratssaal ist in vieler Munde – und wirft Fragen auf: Was veranlasste die Mehrheit des Remchinger Gemeinderats am Donnerstagabend, nach einer 15-minütigen Pause 16 Punkte von der Tagesordnung zu nehmen, sodass Bürgermeisterin Julia Wieland (fraktionslos) die Sitzung beenden musste?
Warum hatte die Bürgermeisterin zuvor gegen den Willen des Gemeinderates Thomas Merz als Nachrücker des gewählten Bürgerliste-Kandidaten Lorenz Praefcke verpflichtet? Und wie geht es nun weiter mit den nicht entschiedenen Beschlüssen?
Eine Umfrage unter den Fraktionssprechern und der Bürgermeisterin zeigt, dass zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen für die außergewöhnliche Situation sorgten, die schließlich zu einem Stillstand führte.
Einerseits geht es um die Anerkennung des Alters als einen der „wichtigen Gründe“, laut denen ein Bürger eine ehrenamtliche Tätigkeit ablehnen kann. Der Gemeinderat muss daraufhin entscheiden, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Anders als der alte und der neue Gemeinderat, die wie berichtet zweimal dagegen stimmten, sieht die Bürgermeisterin den „wichtigen Grund“ bei Praefcke gegeben, da er mit seinen 85 Jahren ohne Ermessensspielraum älter als 67 Jahre sei, weshalb er sein Amt ablehnen könne und daher auch kein Gemeinderatsmitglied mehr sei. Auch dann nicht, wenn die gesetzlich vorgesehene Feststellung durch die Räte noch nicht erfolgt ist. Dies ist auch die Auffassung der Kommunalaufsicht des Landratsamts. Daher verpflichtete Wieland Nachrücker Merz, da dem Gremium sonst ein Sitz fehle – was sämtliche Beschlüsse anfechtbar mache.
Dagegen sieht die Ratsmehrheit aus CDU, FWV, SPD und den Grünen, die selbst nicht anwesend waren, Praefcke noch immer im Amt – solange der Rat weder den „wichtigen Grund“ bestätigt, noch eine übergeordnete Instanz eine finale Entscheidung getroffen habe. „Damit können wir niemanden nachrücken lassen. Sonst wären wir einer zu viel und unsere Beschlüsse wären gerade dann anfechtbar“, bringt Martin Gegenheimer (CDU) die Auffassung der 16 Räte auf den Punkt, die daraufhin alles von der Tagesordnung genommen hätten, „um weiteren Schaden von der Gemeinde abzuwenden.“ Dabei betont er, dass es nicht um persönliche Anschuldigungen, sondern rein um die Sache gehe und macht seine Hauptkritik am Land fest: „Man hätte diese Klausel schon längst ändern müssen, damit es nicht zu Scheinkandidaturen kommen kann.“
„Wenn auch immer es rechtlich möglich ist, werden wir von der Landesregierung einfordern, ein solches Vorgehen künftig zu verhindern“, unterstreicht auch Volker Bräuninger (SPD) – auch wenn es jetzt wieder darum gehe, „gemeinsam so schnell wie möglich aus der Misere rauszukommen.“
Praefcke sei mitnichten aus dem Rat ausgeschieden, befindet auch Klaus Fingerhut (Grüne), sodass man seinen Platz keineswegs nachbesetzen könne. Aus einem anfänglichen kleinen Streit mit der Bürgerliste sei nun eine große Malaise geworden: „Wolfgang Oechsle hat mal wieder provoziert und freut sich nun an den Folgen.“
Von einer „ganz klaren Rechtslage“ spricht dagegen Oechsle selbst – mit Verweis auf das Schreiben der Kommunalaufsicht: „Da führte kein Weg daran vorbei.“ Jetzt sei es an der Zeit, zur Vernunft zu kommen und zum eigentlichen Geschäft zurückzukehren: „Wenn man ausgerechnet vor so vielen wichtigen Entscheidungen wegen so einer Lächerlichkeit einen Stopp einlegt, ist das unverständlich“, kritisiert er. Dabei hätte Praefcke, der im Vorfeld seine Amtszeit bereits zweimal auf eigenen Wunsch beendet hatte, sehr wohl an den Ratstisch zurückkehren wollen – habe das Amt aufgrund schwerer Herz-Probleme nach der Wahl aber ablehnen müssen. Zur Abstimmung als Hinderungsgrund steht aktuell jedoch das Alter, nicht die Krankheit Praefckes.
Martin Rothweiler (FWV) zeigt sich verwundert, dass Wieland die Möglichkeit nicht angenommen hatte, die Verpflichtung des Nachrückers von der Tagesordnung zu nehmen – wie es drei Fraktionen eingangs der Sitzung gefordert hatten: „Ich stehe voll und ganz hinter unserer Bürgermeisterin, aber ärgere mich, dass sie das trotzdem durchgezogen hat.“
„Ich stehe auf keiner der beiden Seiten – sondern auf der Seite meiner Rechtsauffassung“, betont derweil die Bürgermeisterin. Mit der konsequenten Verpflichtung sei es ihr darum gegangen, ihre Rechtsauffassung, in der sie die Kommunalaufsicht bestätigte, geradlinig, transparent und ehrlich zu vertreten: „Ich habe mich bewusst für den schwierigeren Weg entschieden, den ich für rechtlich richtig halte. Sonst hätte ich hinterher nicht guten Gewissens in den Spiegel schauen können.“
In einem Punkt ist sie sich mit den Fraktionssprechern jedoch einig: „Jetzt geht es darum, wieder schnellstmöglich auf Kurs zu kommen.“ So bestätigen sowohl sie als auch die Fraktionssprecher konstruktive Gespräche, um die wichtigen ausstehenden Beschlüsse, zu denen neben Hallenbad-Bauvergaben auch Feuerwehr-Beschaffungen oder der Verkaufsoffene Sonntag gehören, schnellstmöglich treffen zu können.
jza
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