„Freiheit zieht man nicht aus dem Aktenordner, sondern muss sie täglich neu erwerben“
Kein einfaches Thema brachte der CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum am Dienstagabend in die Remchinger Kulturhalle. Unter dem Motto „Freiheit braucht Sicherheit“ stand insbesondere Deutschlands Rolle im Krieg zwischen Russland und der Ukraine im Fokus des Austauschs. Dazu hatte Krichbaum mit Roderich Kiesewetter, Oberst a. D. der Bundeswehr, Sicherheits- und Außenpolitikexperte der CDU und seit 2009 Bundestagsabgeordneter des Ostalbkreises, einen langjährigen politischen Weggefährten in die Region geholt.
In seiner Rolle als unbequemer Kritiker nahm dieser kein Blatt vor den Mund, um einen außenpolitischen Richtungswechsel zu fordern. „Es verdient Anerkennung, dass Sie jemanden einladen, der in Kreisen der Gesellschaft als Kriegstreiber bezeichnet wird“, begrüßte Kiesewetter die gut 150 Anwesenden. Dabei spielte er indirekt auch auf die Furore an, für die er vor wenigen Tagen mit einem Post auf der Plattform X gesorgt hatte. Dort schrieb der 61-Jährige, Hinweise würden sich verdichten, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor der Wahl am 23. Februar nach Moskau reise beziehungsweise Putin treffe. Die Bundesregierung wehrte sich entschieden dagegen, Scholz wies die Äußerungen als Falschbehauptungen zurück. Kiesewetter hat seinen Post daraufhin gelöscht.
Auch in der Region sorgte die Sache wie berichtet für einen Schlagabtausch – zwischen der Bundestagsabgeordneten Katja Mast (SPD) und Krichbaum. Mast bezeichnete die Aussagen als bösartig, kritisierte den geplanten Auftritt in Remchingen, forderte eine Entschuldigung Kiesewetters und eine Distanzierung der CDU um den Kreisvorsitzenden Krichbaum. Dieser reagierte prompt, stellte sich voll hinter Kiesewetter und ordnete den Vorwurf als „Überreaktion der dünnhäutig gewordenen SPD ein“. Am Dienstagabend kam das Thema nicht weiter zur Sprache – auf Nachfrage dieser Redaktion erklärte Kiesewetter: „Katja Mast ist eine geschätzte Kollegin, die sich im Ton vergriffen hat.“ Krichbaum bedankte sich auf Nachfrage, dass Mast mit dem „Wahlkampf-Geplänkel“ beigetragen habe, die Veranstaltung zu bewerben.
„Wenn jemand Kriegstreiber ist, ist es Putin“, erklärte Kiesewetter in der Kulturhalle, „Dabei geht es nicht darum, ob wir jemanden in den Krieg schicken würden, sondern darum, wofür es sich lohnt zu kämpfen.“ Mehrfach brachte er dabei zum Ausdruck, dass er das Zögern vor allem der SPD in der Frage der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine für falsch halte: „Es braucht die Bereitschaft, zu verstehen, dass eine Unterstützung der Ukraine günstiger ist als Krieg oder scheinbarer Waffenstillstand.“ Obwohl eine parteiübergreifende Mehrheit des Parlaments hinter weiteren Ukraine-Hilfen stehe, blockiere der Kanzler diese bisher. Zwar würden die Ukrainer in Deutschland viel Unterstützung erfahren, das helfe der Ukraine selbst jedoch wenig. Bei der Militärunterstützung stehe Deutschland nur auf Platz 17: „Dabei ist es entscheidend, dass wir aus Fehlern lernen und sie nicht wiederholen oder verschweigen.“ Während es für die Ukraine die Bedingungen für einen Mitgliedsbeitritt in die NATO und in die EU zu schaffen gelte, müsse man von Russland erwarten, dass es seine Nachbarstaaten anerkenne: „Freiheit ist nichts, was man aus dem Aktenordner zieht – sie muss jeden Tag neu erworben werden.“
Viele Fragen der Anwesenden drehten sich um die komplexen Hintergründe außenpolitischer Entscheidungen – aber auch um Themen wie Meinungsfreiheit und Bedeutung der Medien, um die Grundsteuerreform oder bürokratische Hürden für Kleinunternehmer. „Jetzt versprechen Sie, alles besser zu machen“, stellte ein Besucher fest und wollte wissen: „Kann man das glauben?“ Kiesewetter antwortete, dass ein ganz klarer Grundsatz für die Glaubwürdigkeit sein sollte, vor der Wahl keinerlei Koalitionsaussagen zu machen.
jza
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