Edwin Müller ist einfach nicht zu stoppen
Er läuft und läuft und läuft: Kaum ist er ins Trikot geschlüpft und hat seine Sportschuhe geschnürt, lässt sich Edwin Müller aus Wilferdingen sein Alter von 75 Jahren nicht mehr anmerken. Der passionierte Leistungssportler nimmt regelmäßig an Laufwettbewerben in der Region, im Land und darüber hinaus teil.
rst im vergangenen Jahr absolvierte er noch die knapp über 42 Kilometer lange Strecke des Baden-Marathons in Karlsruhe – und überquerte nach knapp viereinhalb Stunden als Bester seiner Altersklasse das Ziel. Im Jahr 2008 hatte er die Strecke noch in 3:16:38 Stunden zurückgelegt. „Das ist schon ein hartes Geschäft und 2023 war für mich der letzte Marathon, da bleibe ich dabei“, stellt der Wilferdinger fest – schiebt aber grinsend und mit Nachdruck hinterher: „Jetzt konzentriere ich mich auf die Halmmarathons.“
Aber auch in vielen anderen Disziplinen spurtet Edwin Müller davon und sicherte sich in den vergangenen 22 Jahren fast regelmäßig die Bestzeit seiner Altersklasse: So stand er 2003 beim Sommernachtslauf in Bruchhausen ebenso auf dem Podest wie bei der Kreismeisterschaft über fünf Kilometer Bahn und glänzte bei unzähligen Mittelstreckenläufen ebenso wie beim Ultra-Nacht-Lauf über 80 Kilometer oder einigen Bergläufen, die der Naturliebhaber besonders gerne absolviert.
Daneben sicherte er sich bei 15 Starts beim Volkslauf-Cup der Sparkasse Pforzheim-Calw jedes Mal einen ersten Platz. Hinzu kommen zahlreiche baden-württembergische Meisterschaften, bei denen Edwin Müller mittlerweile 400 Urkunden samt zahlreichen Medaillen und Pokalen erlaufen hat.
Eine Vitrine im Wohnzimmer des in Mutschelbach aufgewachsenen Wilferdingers reicht längst nicht mehr aus dafür – eine Excel-Liste hilft, die Übersicht zu behalten. Zusammen mit Läufern wie Roland Golderer (Gazelle Pforzheim/Königsbach) gehört er dabei zu den Top-Medaillenjägern in der Region.
Dabei entdeckte Müller, der auch passionierter Obst- und Gartenbauer ist, die Leidenschaft fürs Laufen als „Spätzünder“: Eigentlich war der Elektromechaniker, wenn überhaupt Freizeit blieb, mehr mit dem Fahrrad unterwegs. Nachdem er sich jedoch an der Eyachhütte einen Platten eingefahren hatte, 20 Kilometer schieben musste und das gleiche Spiel wenige Tage später in Wössingen noch einmal erlebte, setzte er voll und ganz auf die Eigenleistung seiner Beine.
Zumal sein damaliger Chef mit dessen Laufleistungen geprahlt hatte. Das kann ich auch, dachte sich Müller und begann, mit seiner Frau Lydia regelmäßige Runden durchs Industriegebiet zu drehen. Noch heute sind die beiden oft gemeinsam unterwegs, auch mit Nachbarn oder der Laufgruppe des TB Wilferdingen.
„Oft bin ich den Jungen aber zu langsam und den Älteren zu schnell, deshalb laufe ich zu 90 Prozent alleine“, blickt Müller auf sage und schreibe 45.000 Kilometer, die er in den 22 Jahren erlaufen hatte. 2022 hatte er somit die Erdumrundung abgeschlossen und peilt nun die Mondumrundung an.
Die Motivation hat er bis heute nicht verloren: „Die Konkurrenz schläft nicht und ich bin ehrlich: Ich will gewinnen – nicht einfach nur im Ziel ankommen. Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich erarbeiten.“
Während die Mitbewerber seiner Altersklasse mit jedem Jahr weniger werden, gehören mittlerweile Nekrose, Arthrose und Meniskusschaden zu seinen größten Herausforderern. Doch die Probleme am linken Knie können ihn nicht ausbremsen: „Zum Orthopäden in die Stadt fahre ich natürlich mit dem Fahrrad.
Wenn er sagt, ich sei keine 48 sondern 48 geboren und mich fragt, ob ich mit dem Knie etwa einen Marathon laufen will, antworte ich: Ich habe kein anderes!“, stellt Müller humorvoll fest, der seine Enkel mit ebenso großer Begeisterung mit zum Laufen nimmt.
Und nicht nur die: Seit 15 Jahren nimmt er Sportabzeichen beim TB Wilferdingen ab und baute die Teilnehmerzahl rasch von zehn auf 160 auf, womit der Verein sechs Mal in Folge die kreisweit höchste Zahl vorweisen konnte.
Dabei rät der Läufer gerade älteren Laufbegeisterten über 50 Jahren, sich langsam heranzutasten und sich auf einen Marathon ein gutes Jahr lang vorzubereiten. Dabei sollte man sich ausreichend Regenerationstage gönnen und stets die eigenen Grenzen kennen, um nicht zu dehydrieren und zu stürzen, wie es ihm einmal auf Fehmarn passiert sei.
Doch das konnte ihn nicht von seiner Leidenschaft am Laufen abhalten: „Man bekommt dabei keinen Platten und muss nicht ins kalte Wasser, sondern kann einfach loslaufen.“
jza
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