Die Bürgerliste provoziert mit ihrer Trickserei den Widerstand der Anständigen

Wenn schon in der Überschrift zwischen den Anständigen und der Bürgerliste unterschieden wird, dann ist das heftig und sollte begründet werden. Das mache ich am Schluss dieses Kommentars, allerdings will ich vorher an den Wesenskern des baden-württembergischen Wahlrechts erinnern und auf die weitere Entwicklung schauen.

Die Persönlichkeitswahl

Listen von Parteien und anderen Gruppierungen gehören zu den Gemeinderatswahlen, die eigentliche Wahlentscheidung ist aber in besonderer Weise auf die Person der zu Wählenden ausgerichtet. Man kann seine Stimmen kreuz und quer über alle Listen verteilen kann und dabei auch noch 1, 2, oder 3 Stimmen vergeben. Das alles verdeutlicht das Prinzip der Persönlichkeitswahl.  

Wenn Person A gewählt wird, dann soll nicht Person B das Amt ausüben - das ist das beherrschende Grundprinzip. Natürlich muss es in einem engen Rahmen Ausnahmen geben. Dazu gehören Wegzug aus der Gemeinde, Tod, dauerhafte Krankheit, Alter (über 67), Annahme einer Beschäftigung bei derselben Gemeinde. In einem solchen Fall rückt der nächste Nichtgewählte von der Liste nach - das ist der bestmögliche Kompromiss bei einer Personenwahl, wenn man aufwändige Nachwahlen in jedem Einzelfall vermeiden will.

Die Praefcke-Oechsle Episode

Wenn indes ein beliebter Mediziner keinerlei Absicht hat, das Amt des Gemeinderats anzutreten und nur kandidiert, um eine sonst nicht gewählte Person durchzubringen, dann ist das nicht das, wofür es die Ausnahmeregelungen gibt. Es ist Täuschung, moralferne Ausnutzung einer Vorschrift und auch das lieber Herr Dr. Praefcke: die arrogante Geringschätzung derer, die Sie im Gemeinderat sehen wollten.

Dass der Impressario der Scharade Wolfgang Oechsle sich in der Presse anerkennend darüber auslässt, dass Dr. Praefcke sich noch einmal aufopferungsvoll in den Dienst der Liste gestellt hätte, zeigt ein sehr seltsames Verständnis des ihm doch aus 37 eigenen Amtsjahren so vertrauten auf die Person abgestellten Wahlrechts und eine ordentliche Portion "Für-dumm-Verkaufens" der von ihm wohl ebenfalls sehr geringgeschätzten Wählerinnen und Wähler.

Viele Stimmen sprechen von einem Wahlbetrug - das ist in einem Moralkontext nachvollziehbar, im Lichte des Rechts ist es aber "nur" eine Ausnutzung sinnvoller aber missbrauchbarer Vorschriften. 

Der Vorrang des Rechts 

Über derlei Tricks mag man sich ärgern und harsche Moralurteile sprechen, im Sinne des Rechts ist die Sache eindeutig: Für Herrn Dr. Praefcke ist vom Gemeinderat festzustellen, dass ein wichtiger Hinderungsgrund nach §16 der Gemeindeordnung vorliegt und er deshalb sein Amt nicht antreten muss. Da hilft auch nicht der Ärger, dass zunächst angegriffene Gesundheit als Begründung angeführt wurde und erst dann die Altersbegründung nachgeschoben wird, als man die Erkenntnis gewinnt, dass eine Gesundheitsprüfung Zeit brauchen könnte und mithin der eingeplante Nachrücker erst später zu Amt und Würde(?) kommen könnte.

Zu Recht hat die Bürgermeisterin Julia Wieland den Gemeinderat sachlich darauf hingewiesen, dass das Gremium diese ohne Ermessensspielraum anstehende Feststellung zu beschließen habe und ihrerseits auch entsprechend abgestimmt.

Der Widerstand der Anständigen

Mit Ausnahme der Bürgerliste war indes keine der Parteien bereit, bei der Vollendung des Täuschungsmanövers mitzuwirken. So intensiven Beifall wie bei den Reden von Thomas Walch (CDU), Volker Bräuninger (SPD), Sascha Rebmann (FWV) und Klaus Fingerhut (Grüne) hat man im vollbesetzten Remchinger Ratssaal noch nicht erlebt, als alle vier Redner mehrheitlich mit Wählertäuschung und verletztem Anstand begründeten, warum die Parteien aus ihrer Sicht nicht zur Mitwirkung bereit waren und deshalb in der nachfolgenden Abstimmung ein unwirksamer (Ablehnungs-)Beschluss zustande kam. 

Kann ein unwirksamer Beschluss dennoch richtig sein?


Allen ablehnenden Gemeinderäten dürfte bewusst sein, dass sie sich in der für den 1. August angesetzten Folgesitzung noch einmal der Heilung des unwirksamen ersten Beschlusses bei einer neuerlichen Abstimmung verweigern können und dass dann die Entscheidung auf der nächsten Entscheidungsebene durchgesetzt werden wird. 

Wenn sie es dennoch getan haben und vielleicht noch einmal tun, dann offenkundig aus der Einsicht, dass sie sich dem Missbrauch unseres Rechtssystems entschlossen entgegenstellen sollten, wenn andere legale Mittel nicht greifen.

Der Preis dafür mag gerechtfertigt sein. Und zwar dann, wenn die in der Folge stattfindenden Diskussionen und Berichte dazu führen sollten, dass die für ihre Tricksereien und Falschdarstellungen bis in den Verdachtsbereich der Verleumdung berüchtigte Bürgerliste auf den Pfad konstruktiver Gemeinderatsarbeit einschwenkt.

 

Der Beobachter ist sich nicht sicher, dass das mit den aktuell aktiven Protagonisten so eintreten wird. Aber wenn es wenigstens dazu führt, dass Wahltricksereien wie im Fall Dr. Praefcke künftig nicht mehr - weil früher durchschaubar - funktionieren, dann ist ja auch schon etwas gewonnen.

 

Zum Schluss die angekündigte Erklärung des Gegensatzes von Bürgerliste und den Anständigen

Zur Gemeinderatswahl 2024 sind bekannte und teils seit Jahrzehnten mit guten Stimmergebnissen erfolgreiche Gemeinderäte in den anderen Parteien einfach nicht mehr angetreten, statt auch noch einmal Stimmen zu holen und dann durch Nichtantritt andere in den Gemeinderat zu lotsen. Das nennt man gemeinhin "Anstand".

Und deshalb die Unterscheidung zwischen den Anständigen und der Bürgerliste.

Joachim Geffken



 

Breite Ablehnung des Praefcke-Antrags am 18. Juli im Gemeinderat Foto: RPN/JGE
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Bemerkungen :

  • H.Baumann 22.07.2024 um 14:41
    Herr Geffgen, sehr gut geschrieben. Wie heißt es so schön?" Geh, aber geh mit Gott!" Starrsinnig und verbohrt, mehr braucht man nicht zu sagen.