Bei aller Begeisterung für Geschichte würde Jeff Klotz lieber in die Zukunft reisen
Wenige Minuten zuvor führt er zur Remchinger Museumsnacht noch durch das Remchinger Römermuseum, das er augenzwinkernd „sein Kind“ nennt – schließlich ist er bald mehr als die Hälfte seines Lebens damit verbunden. Einige Stunden später geht sein Flug nach Spanien, wo seine Reisegruppe schon auf ihn wartet. Und trotzdem gibt sich der Archäologe, Museumsleiter, Schriftsteller, Verleger, Kunstsammler und Tausendsassa Jeff Klotz zwischendrin bei „Chessy‘s Latenight“ ganz gelassen. Am Samstagabend blickt er in entspannter Atmosphäre nicht nur zurück in die Historie, sondern auch einmal auf seine ganz persönliche Geschichte.
Zwischen Glücksrad und Gitarrenständer begrüßt der Vollblutgitarrist, Unterhalter und Musiklehrer Volker „Chessy“ Czesnat den „Rockstar der Regionalgeschichte Süddeutschlands“ Jeff Klotz auf dem Sofa im Nöttinger Löwensaal – wo in jugendlichen Jahren das kulturelle Wirken von Klotz selbst begann. Heute wohnt der in Nöttingen und Dänemark aufgewachsene 34-Jährige in Pforzheim. Zumindest auf dem Papier, denn meist ist er unermüdlich auf Achse – bei unzähligen Projekten im Südwesten, aber auch in Israel oder Rom, stets im Dienste für die Geschichte, die Kunst und Kultur, die Mitmenschen. „Es wird, weniger, versprochen“, stellt Klotz mit Blick zu seiner Verlobten im Publikum fest.
Einer seiner Antriebe für die Region: „Gemeinsam mit vielen anderen das Wissen zu konservieren und den Status quo zu sichern in Zeiten, wo viele Ortshistoriker aussterben“, verrät Klotz, der zwischen den rockigen Klängen von Czesnat selbst zu spontanen Fragen mit seinem umfangreichen, lebendig vermittelnden Geschichtswissen besticht. Obwohl er nie Geschichte, sondern VWL, Archäologie und Bauforschung studiert habe. Als Kind habe er anstatt mit Ritterburgen zu spielen Stadtpläne gezeichnet – aber auch Streiche im Wald gespielt, wie es junge Kerle eben tun würden, plaudert Klotz aus dem Nähkästchen. Die Lust am Lernen kam mit dem Erwachsenwerden: „Dass ich mir Aufzeichnungen, Jahreszahlen oder Manuskripte bildlich merken kann, ist ein Geschenk, für das ich dankbar bin. Es kann aber auch eine Belastung sein, sich alles zu merken.“
Hätte er eine Zeitmaschine zur Verfügung, würde er jedoch keineswegs zurückreisen, sondern eher in die Zeit in 300 Jahren blicken, erfährt Czesnat: „Interesse an der Geschichte darf man nicht verwechseln mit Nostalgie – ich bin froh, dass ich im Hier und Heute lebe.“ Nur zu einem Thema fällt es Klotz schwer, gefasst zu bleiben. Dass an den Überresten der Pforzheimer Lateinschule beim Technischen Rathaus gerade eine Tiefgarage entsteht, treibe seinen Blutdruck regelmäßig nach oben: „Das war im 15. Jahrhundert ein Bildungsstandort, der für ganz Deutschland herausragend war und bedeutende Humanisten hervorbrachte. Es ist eine große vertane Chance, so etwas für eine Tiefgarage abzureißen, aber da kämpfe ich manchmal gegen Windmühlen.“
Während „Chessy“ mit dem Publikum rockt, soll sein Gast ein Denkmal zu basteln: Jeff Klotz baut das Innere des Heiligen Grabs in Jerusalem, in das er sich schon bei Nacht einschließen ließ – ein unvergessliches Erlebnis. Während er sich zum Abschluss den Titel „Tears in Haeven“ wünscht, wünsche er sich für die Zukunft eine gelassenere Welt, die nicht nur seinem Blutdruck guttun würde, und antwortet auf die Frage, was in seinem Glückskeks stehen solle: „Vergiss nicht, wem du noch danken wolltest.“
jza
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