„Bei allem Gewöhnlichen ist an Weihnachten vieles ungewöhnlich“
Nanu, was verbirgt sich da im Dickicht des Remchinger Frauenwalds? Kurz vor Weihnachten haben die Kinder des Waldkindergartens eine echte Überraschung entdeckt: Große hölzerne Krippenfiguren stehen an der Einmündung des Eichwaldwegs in den „Italienerweg“ – dicht an dicht mit Schafen, Ochs und Esel auf Stroh, mit einer Strandmuschel und Reisig geschützt vor Wind und Regen. „Das sind Maria und Josef“, stellt die kleine Marlene begeistert fest und erklärt umringt von den anderen Kindern der „Bärenbande“ munter weiter: „Die stehen da, weil Jesus geboren ist an Weihnachten.“
Zusammen mit den Erzieherinnen Marion Höll, Tanja Engel und FSJlerin Tamira Kassay nutzten sie die Gelegenheit, um sich die Weihnachtsgeschichte zu erzählen. „Jeder wusste etwas und die Kinder sind ganz hin und weg von der Krippe“, freut sich Höll über das Werk eines oder mehrerer unbekannter Künstler, das eines Tages einfach dastand. Hatte vielleicht der benachbarte Obst- und Gartenbauverein seine Hände im Spiel? Schließlich hat der frühere Vorsitzende Walter Mehne beruflich in der Holzwerkstatt der Justizvollzugsanstalt Heimsheim mit den Inhaftierten ab Ostern stets hunderte Krippenfiguren geschreinert, die seine Frau Ursula für den guten Zweck immer wieder ausdrucksvoll in Szene gesetzt hat. „Wir wissen von nichts“, beteuern die beiden und freuen sich selbst über die unbekannte Initiative, „Weihnachten ist das Fest der Liebe – und da wollte eben jemand etwas Liebes machen.“
Die Spurensuche geht weiter: War es etwa das Remchinger Forstteam oder der Bauhof? Holz hätten sie ja genug. Aber weder Bürgermeisterin Julia Wieland, noch Revierförsterin Sarah Zwerenz wissen, wie die Krippe in den Gemeindewald gekommen ist. „Ich finde die Idee sehr schön und freue mich grundsätzlich über so eine Initiative“, unterstreicht Zwerenz, „Auch wenn der oder die Unbekannte beim nächsten Mal vorher kurz Bescheid geben könnte.“ Schließlich fand wenige Tage zuvor unweit noch eine Holzernte mit Transport über diesen Weg statt: „Bei mir braucht keiner Angst haben, dass es nicht klappen würde, wenn er mit so einer Idee kommt. Da würden wir anstatt der Standmuschel auch ein natürliches Verdeck schaffen“, verdeutlicht Zwerenz, die selbst schon als Kind eifrig Krippenfiguren gebaut hat. So freut sie sich auch auf die Krippen, die zusammen mit einem Weihnachtsbaum – von der Plantage, nicht aus dem eigenen Wald – die Weihnachtsstube bei ihren Eltern in Reutlingen schmücken.
Was in diesem Jahr wohl unterm Baum liegt? Während die Kinder des kommunalen Waldkindergartens fröhlich ihre Wünsche aufzählen, die vom noch immer begehrten Schaukelpferd über Frisbees bis zum Feuerwehrboot für die Badewanne reichen, berichten sie von eigenen Krippen, die sie zu Hause haben – aus Holz oder von Playmobil. Da schauen sie zum Jesuskind: Was wohl das Runde auf seinem Kopf ist? Bestimmt ein Hut, eine Mütze – oder etwa eine Krone, raten die Kinder, bevor ihnen ihre Erzieherinnen den Heiligenschein erklären. Und da ist noch etwas Außergewöhnliches, das der kleine Anton auf den Punkt bringt, als er zu Josef schaut: „Das ist der falsche Vater – Gott ist der Vater von Jesus“, stellt der Junge keck fest.
Der lange beschwerliche Fußmarsch einer hochschwangeren Frau, die Geschichte von zwei Vätern und einer Jungfrauengeburt im Stall, umgeben von Tieren und Hirten: „An Weihnachten ist alles ungewöhnlich – und doch wird es gewöhnlich“, erklärte Andreas Hertler. Er ist Pastor bei der Liebenzeller Gemeinschaft Remchingen, die den Heiligabendgottesdienst wie zahlreiche Kirchengemeinden und Gemeinschaften in der ganzen Region mit einem Krippenspiel feiern. In Wilferdingen begleitet ein Chor von Kindern bis Rentnern das von Tabea Biskup selbstgeschrieben Stück, in dem zwei Enkel ihren Großeltern von der Weihnachtsgeschichte berichten, die sie in der Schule gehört haben – und bald feststellen: „Das glaubt doch kein Mensch mehr!“ Die scheinbar unglaubliche Geschichte wird immer mehr verstanden. „Das Witzige ist, dass an Weihnachten ja sonst kaum etwas ungewöhnlich ist“, stellt Hertler fest, „An keiner Stelle im Jahr hat man so viele Traditionen, selbst das Abendessen steht bei vielen fest. Und doch ist bei allem Gewöhnlichen vieles ungewöhnlich.“
jza
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