AfD-Wahlkampfauftakt in Remchingen erntet lautstarke Proteste
Zwei Welten versammelten sich am Mittwochabend an Remchingens Ortsmitte: Während rund 300 Besucher am Kulturhalleneingang die Security-Schleuse zum Wahlkampfauftakt „Deutschland zuerst“ des AfD-Kreisverbands Pforzheim-Enzkreis passierten, taten sie das immer wieder unter lautstarken Buh- und „Nazis-Raus“-Rufen einer etwas höheren Anzahl an Demonstrierenden auf dem Rathausplatz. Um ein Aufeinandertreffen zu vermeiden, hatten einige Dutzend Polizeibeamte eine weite Pufferzone eingerichtet. Sie mussten bei der friedlichen Protestaktion, zu der die „Omas gegen rechts“ aufgerufen hatten, nicht eingreifen. Auch die örtliche „Bordkapelle Akkermann“ unterstützte die Aktion und spielte unter anderem ihren Song „23. Februar“. Er solle eine „klare Kante gegen Patridioten zeigen“, hatte Frontsänger Jochen Kröner bei der Veröffentlichung zum 23. Februar 2021 gesagt. Dass der Termin der Bundestagswahl auf denselben Kalendertag fällt, hatte damals niemand ahnen können.
Show ab hieß es in der Kulturhalle: Nach einem Parteiwerbespot begrüßte Diana Zimmer, Vorsitzende des AfD-Kreisverbands und Kandidatin für ein Bundestagsmandat, das ihr mit dem Landeslistenplatz 8 relativ sicher ist. „Hier ist der perfekte Ort, um gemeinsam den Auftakt für einen echten Neuanfang zu starten. Auch wenn vermeintliche Demokraten da draußen versuchen, uns an unserer demokratischen Stimme zu hindern“, erklärte die 26-Jährige. Mit heftiger Schelte auf die „Altparteien“, insbesondere die CDU, präsentierte sie den Plan, der Alice Weidel zur Kanzlerin machen solle – unterstützt von Elon Musk: „Sie ist die wahre Hoffnung für Deutschland.“
Neben konsequenter Einhaltung der Schuldenbremse und einer Entlastung der Wirtschaft durch Steuersenkungen und Bürokratieabbau gehöre dazu eine sofortige Beendigung der grünen Energiewende – stattdessen Technologieoffenheit und Inbetriebnahme aller funktionierenden Kernkraftwerke. An erster Stelle nannte Zimmer jedoch den Schutz der Grenzen: „Wir haben keinen Platz für gescheiterte Integrationskonzepte und unkontrollierte Zuwanderung – wer hierbleiben will, muss Verantwortung übernehmen.“ Radikalere Worte fand nach ihr der AfD-Landesvorsitzende Marcus Frohnmaier, der Deutschland mit den höchsten Strompreisen in der EU und unterdurchschnittlicher Lebenserwartung am Schlusslicht sehe: „Genug ist genug – beenden wir diesen Irrsinn“, rief Fronmaier, der neben seinem eigenen lebensgroßen Aufsteller stand, „Wir werden die Kettensäge auspacken und die Entwicklungshilfe damit stutzen.“
Außerdem wolle die AfD die CO2-Steuer und das Heizungsgesetz abschaffen und aus dem Pariser Klimaabkommen austreten: „Wer zulässt, dass jahrzehntelang Arbeitende den Lebensabend mit Dosenpfand aufbessern müssen und gleichzeitig Transsexuelle in Indien unterstützt werden, dass sie den Führerschein für die E-Rikscha machen können, der gehört aus der Regierung gejagt.“ Die AfD wolle Deutschland seine Zukunft zurückgeben, „damit die Kinder in 20 Jahren noch von der Kirchenglocke und nicht vom Ruf des Muezzins geweckt werden“.
Asylzentren in sicheren Drittländern und ein duales Grenzsystem forderte die EU-Abgeordnete Mary Khan. Der angesprochene Erfolg der rechten FPÖ in Österreich erntete langen Beifall im Saal. Den Treibern „bösartiger Spielchen“, die die AfD ausgrenzen, gelte es „mit der blauen Karte zu zeigen, wo der Hase läuft“: „Wir machen das auch für euch, damit euch die Gesellschaft wegen eurer politischen Gesinnung nicht ausschließt“, erklärte der Bundestagsabgeordnete Dr. Malte Kaufmann und warb um mindestens 25 Prozent der Bundestagssitze, um Untersuchungsausschüsse einberufen zu können – den ersten für Corona. Remigration – „Unwort“ des Jahres 2023 – bedeute, aus dem Migrationsfluss einen beherrschbaren Bach zu machen, erklärte der EU-Abgeordnete René Aust und warb für moderne Grenzüberwachsungstechnologien. „Wir werden uns nicht in innere Angelegenheiten anderer Länder einmischen – und wollen zugleich, dass andere sich nicht in unsere einmischen.“ Die Zeit des „gärigen Haufens“ in den eigenen Reihen sei vorbei: „Vor Ihnen steht eine Regierungspartei.“
„Der Abend zeigt, dass wir eine wache Demokratie haben, dass sich Leute engagieren und kritisch hinterfragen“, erklärte zuvor Bürgermeisterin Julia Wieland (parteilos) mit Blick auf die Demo, „Nichtdestotrotz muss es die Veranstaltung in der Kulturhalle geben, um zu informieren und vielleicht den einen oder anderen auch zu wecken und zu zeigen, was denn in den Parteiprogrammen tatsächlich drinsteht.“ Wegen der vor der Wahl gebotenen Neutralität beobachtete sie selbst das Geschehen vom Ratssaal, der an diesem Abend übrigens vollbesetzt war: Mit Christen, die in der Allianzgebetswoche für Hoffnung beteten. Der Termin war lange zuvor vereinbart – dass er auf eben den Tag der Wahlveranstaltung fällt, hätte damals niemand ahnen können.
jza
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